Die nach dem derzeit für Ingenieurbauwerke der Verkehrsinfrastruktur in Deutschland gültigen Regelwerk DIN EN 1992-2/NA bemessenen erforderlichen Übergreifungslängen für Betonstahl sind im internationalen Vergleich, vor allem bei kleinen lichten Abständen zwischen den gestoßenen Stäbe, mit Abstand am größten. Dies gilt für die unmittelbar benachbarten Länder wie Dänemark, die Niederlande, die Schweiz aber auch die USA. Für die Realisierung von grenzüberschreitenden Bauwerken kann dies sehr hinderlich sein. Schäden, die auf die teilweise deutlich geringeren Übergreifungslängen zurückzuführen sind, sind der Fachwelt nicht bekannt.
Die deutschen Festlegungen gehen bezüglich der Betondeckung auf der sicheren Seite liegend konservativ von c = 1,0 Ø aus. Der günstige Einfluss einer größeren Betondeckung darf nach Eurocode 2 mit dem Faktor α2 berücksichtigt werden. Dieser Faktor ist nach dem deutschen Nationalen Anhang allerdings generell mit α2 = 1,0 anzusetzen, während er nach Eurocode 2 Werte bis 0,7 annehmen kann. Ein weiterer wesentlicher Unterschied ergibt sich in Abhängigkeit von Stoßanteil und Stabdurchmesser aus dem Stoßfaktor α6 bei kleinen lichten Abständen (a < 8 Ø) zwischen den gestoßenen Stäben.
Daher stellt sich die Frage nach der Notwendigkeit einer Überprüfung der deutschen Regelungen bei Ingenieurbauwerken mit üblicherweise deutlich größeren Betondeckungen als c = 1,0 Ø, da sich alleinig bei Anwendung des Faktors α2 um bis zu 30% kürzere Übergreifungslängen ergeben können. Daraus können u.U. schlankere Bewehrungsanordnungen und erhebliche Kostenreduzierungen infolge des geringen Materialbedarfs resultieren.
Am Lehrstuhl Betonbau werden im Auftrag der BASt experimentelle Klein- und Großkörperversuche durchgeführt um insbesondere die Faktoren α2 und α6 systematisch zu überprüfen. Das Gesamtziel des FE-Vorhabens besteht darin, die maßgeblichen Einflussparameter auf das Verhalten der Stöße zu identifizieren und deren Quantifizierung durch die derzeit gültigen nationalen und ausgewählte internationale Regelwerke zu analysieren.
Im Rahmen von experimentellen Untersuchungen zur Verbundfestigkeit bei Ingenieurbauwerken wird der Einfluss der Betondeckung und der Querbewehrung auf die Verbundfestigkeit fbd untersucht. Dazu werden mit Ausziehversuchen die Verbundspannungs- Schlupf-Beziehungen bestimmt. Ziel dieser Versuche ist zu prüfen, ob die Faktoren α2 und α3 das Verbundverhalten richtig beschreiben, um bei den Ingenieurbauwerken der Verkehrsinfrastruktur mit ihren Randbedingungen (cmin = 4 cm) davon Gebrauch machen zu können.
Die αi - Faktoren berücksichtigen die Einflüsse aus der Stabform (α1), Betondeckung (α2), nicht angeschweißte Querbewehrung (α3), Querdruck (α5) sowie Stoßanteil und Stabdurchmesser (α6). In erster Linie erweisen sich die die Faktoren α2 und α6 als maßgeblich. Um den Einfluss dieser Parameter experimentell zu untersuchen, werden bei Großversuchen die entsprechenden Parameter Betondeckung (α2) sowie Stoßanteil, lichter seitlicher Stababstand (a < 8Ø oder a ≥ 8Ø) und Stabdurchmesser Ø (α6) systematisch variiert.
Herstellung des Versuchsträgers Eingebauter Versuchsträger Versagen des Übergreifungsstoßes
Dipl.-Ing. Matthias Bettin